Agilität und Regeneration - Mode in Bildung und Erziehung

Vielleicht ist es ja nur in meinen Kreisen der Fall, aber es scheint doch so, dass zwei Schlagwörter zur Zeit mehr bedient werden, als es noch vor der Coronazeitenwende der Fall war: Regeneration und Agilität.

Da wir bei Guide and Lead schon seit Jahren beides leben, ohne ständig diese Art von Jargon im Munde zu führen, würde ich doch gern einen Rahmen zeichnen, bei dem ich sehe, warum hinter dem Schlagwort Agilität tatsächlich (schon lange) mehr Chancen liegen, als es die Mode der Begrifflichkeit vermuten lässt.

Agilität?

Zunächst bietet sich dabei an, einmal kurz zu beäugen, was hinter diesem Begriff liegt: nämlich schlicht die Fähigkeit sich zeitnah effektiv an Herausforderungen anzupassen, aber im nächsten Schritt diese nicht nur zu antizipieren, sondern vor allem auch selbst in einem, der Entwicklung dienenden Prozess selbst zu kreieren.

Wenn wir also von einem agilen Mindset sprechen, ist damit in keiner Weise gemeint, nur flexibel reagieren zu können, also passiv zu sein. Es geht vielmehr darum, tatsächlich positive Transformationen der eigenen Umwelt voranzubringen, und zwar in einer Weise, die der Gesamtorganisation nicht nur nützt, sondern vor allem auch von ihr getragen wird.

Nun, das ruft doch schon unmittelbar nach Schule, oder nicht?

Schule – als Lernumgebung von Kindern kann ja eigentlich gar nichts anderes sein, als ein unheimlich dynamisches organisatorisches Gebilde, um die Dynamik der vielen unterschiedlichen Kinder darin aufzunehmen und Weiterentwicklung Raum zu bieten.

Und genau hier liegt eben der Vorteil agiler Schule.

Wie wir gerade in den derzeitigen Herausforderungen von Bildung und Schule (und Gesellschaft) sehen, kommen die sehr starren schulischen Strukturen eines traditionellen, auf die Bedürfnisse einer Industrialisierung ausgerichteten Schulsystems, nun endgültig für jedermann sichtbar an ihre Grenzen.

Das System, aber auch die Einzelschule, ja sogar oft genug die einzelnen Personen darin, scheinen zu starr, unflexibel und vor allem überhaupt nicht auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet zu sein.

Notdürftig wird nun Flickschusterei betrieben, starre, wenig kindgerechte Strukturen digital umgesetzt (nicht aber digitalisiert!) und dadurch in ihrem Starrsein fast noch verfestigt und manifestiert. Wieder werden Entscheidungen abseits der Lehrenden und Lernenden getroffen, oftmals von weit entfernten Bürotischen aus.

Dabei wäre es so einfach!

Nämlich einfach durch agile Schulentwicklung.

Diese beantwortet viele Nöte auf einmal:

  • Maßnahmen, die getroffen werden, wirken zielgenau
  • Betroffene fühlen sich nicht nur mitgenommen, sondern sie betreiben als Mitteilhaber den Prozess selbst
  • Der Entwicklungsprozess kann in andere Entwicklungsprozesse an der jeweiligen Schule mit eingebunden werden
  • Die Bedürfnisse jeder einzelnen Schulgemeinschaft werden beantwortet, nachhaltig und mit der Priorisierung, die die besondere Situation der Gesamtorganisation verlangt
  • Die Intensität und auch die Geschwindigkeit dieser Entwicklung und der damit einhergehenden Maßnahmen können passgenau an die Lernbedürfnisse der Betroffenen angepasst werden.
  • Der Prozess der transformativen Schulentwicklung gerät mehr in den Fokus und nicht nur ein imaginäres Endziel, dass oft genug bedrohlich oder unrealistisch wirkt.
  • Neinsagern, Blockierern und Zweiflern wird durch die Integration in die selbstorganisierten Teams, aber vor allem auch durch die ständige gemeinsame Reflektion und Weiterentwicklung der Entwicklungsziele und Zwischenergebnisse, der Wind aus den Segeln genommen
  • Schulentwicklungsprozesse können skaliert werden: in manchen Schulen macht es Sinn erst einmal klein zu beginnen und ein kurzes Projekt abzuarbeiten, bei eingespielten Teams darf es dann auch ein etwas längerer und tiefergehender Prozess sein.

Agilität als Antwort

Das letzte Schuljahr hat bewiesen, dass die Art und Weise wie Schulentwicklungsplanung, Curriculumsdistribution und Budgetplanung in den meisten Schulen (schrecklicherweise auch noch oft genug von außenstehenden Autoritäten wie Behörden, Akkreditierungskörpern oder Inspektionen vorgeschrieben) organisiert wird, nicht funktioniert hat.

Es scheint daher kompletter Unsinn, dass trotzdem nun schon wieder Aufsichtsbehörden und Schulleitungen an diesen Jahresplänen sitzen, die fristgerecht eingereicht werden müssen und von denen eigentlich von vorn herein klar ist, dass sie das, was Schule eigentlich leisten kann, schon im Keim erstickt: Ein wunderbar dynamisches Spiel von Nachfrage und Angebot, von Initiierung und Öffnung für Neues, von menschlichem Kontakt, der Grenzgängertum Räume bietet und diese sogar co-kreiert, der Talente erkennt, Geborgenheit und Anerkennung eigener Entwicklung offeriert.

Da hilft es dann auch nicht, diese Erstickungskultur mit digitalen Mitteln auszustatten.

Es macht schlicht keinen Unterschied, ob das Arbeitsblatt, dass schon Monate im Voraus vorplanbar ist, am Ende dem Kind in Papierform oder als PDF zur Verfügung steht ( – dass Digitalisierung von Schule ganz anders funktioniert, ist mehrere andere Blogposts wert, einige meiner Punkte können dazu in meinem Twitterfeed nachgelesen werden).

Agile Schulentwicklung ist daher auch ein klarer Aufruf nach mehr Autonomie der schulinternen Teams.

Eine Schulgemeinschaft ist ein System, dass mich in den verschiedenen Schulen, die ich betreue, immer wieder sehr an das System einer Familie erinnert. Auch hier würden von außen eingebrachte Maßnahmen nicht nur nicht funktionieren, sondern ganz automatisch Misstrauen bis hin zur Verweigerung hervorrufen. Der Misserfolg, hohe finanzielle, aber systemisch relevante nicht- monetäre Verluste werden so im Endeffekt das System weiter schwächen.

Veränderung braucht Mut.

Es ist jetzt so viel nach Veränderungen im Bildungssystem gerufen worden, aber digitale Geräte sind nur ein Werkzeug, niemals die Veränderung selbst.

Ein Übergang zu agiler Schulentwicklung kann jedoch genau diese Veränderung und mit Sicherheit auch Verbesserung eines ehrwürdigen, aber dennoch transformationsbedürftigen Systems bieten, auch dies in kleinen oder großen Schritten, genau passgenau, wie es für alle Beteiligten benötigt wird. Forderungen wären unter anderem:

  • Mehr Autonomie der Einzelschule
  • Organisation von Schulentwicklungsprozessen in selbstorganisierten Teams
  • Schulentwicklung in Projektcharakter (kürzere Laufzeiten, mit strukturierten Abläufen)
  • Unterstützung der Einzelschulen nach deren Bedarf (nicht nach Bedarf der Schulaufsicht)
  • Bereitstellung von außenstehenden Coaches, um bei Bedarf Hilfestellungen zu geben
  • Freistellung von mehr Personal für diese Aufgaben
  • Wertschätzung der aktiven Mitarbeit bei Schulentwicklungsprozessen

Und was ist nun mit dem anderen Modewort “regenerativ“?

Nun, das kann man ganz kurz (oder auch sehr lang, wenn man will) beantworten:

Jede Transformation in Schule, die Ziel von bedürfnisorientierter agiler Schulentwicklung ist, wird auch regenerativ sein. Der Weg ist das Ziel, wie oben beschrieben und durch die ständige Reflektion von Prozessen und Projekten wird eben genau sichergestellt, dass eine ständige Erneuerung, Regeneration also, stattfindet.

Agile Schulentwicklung wirkt jeder Stagnation entgegen.

Wenn diese aus dem klaren Bewusstsein der Orientierung an den Bedürfnissen aller in der Schulgemeinschaft einen agilen Mindset bei allen Beteiligten entwickelt, ist sie regenerativ.

Guide and Lead hat sich seit Jahren auf darauf spezialisiert, eben diese Art von agiler bedürfnisorientierter Schulentwicklung zu unterstützen, wobei wir sowohl die nötigen Coachingtechniken, Trainingsangebote und tiefgreifende Kenntnisse in Digitalisierung und EdTech anbieten können.

Lassen Sie uns wissen, falls Ihre Organisation unsere Unterstützung benötigt. Wir sind für Sie da.

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