Immer wieder werde ich gefragt, wie es sich verhält mit dem Stellenwert von Selbstführung innerhalb von Unternehmen oder Organisationen.
Im Hintergrund dieser Frage steht oft vor allem der Wunsch den Zusammenhang zwischen Selbstführung, auch im Rahmen eigener Transformation, Agilität und dem eigenen Lebenssinn zu verstehen im Zusammenspiel mit dem Transformationsprozess der Organisation oder des Unternehmens.
Zwei verschiedene Perspektiven drängen sich auf:
Zum einen die Perspektive vom Individuum in der Organisation im Hinblick auf Transformation und dann in umgekehrter Richtung auch die Perspektive von der Organisation hin zum Individuum.
Bewußte Organisationen
Sicher sind wir uns einig, dass schlussendlich eine Organisation von den Menschen geprägt ist, die diese Organisation bilden. Wahr ist aber auch, dass ab einer bestimmten Größe der Organisation diese eine Eigendynamik entwickelt, gewissermaßen ein eignes Wesen oder Bewusstsein.
In unseren systemischen Organisationsberatungen setzen wir daher oft die Organisation selbst mit als Entwicklungspartner an den Tisch (mehr zu dem Thema Bewußtsein von Organisationen findet sich in der Arbeit von Peter Koenig.)
Dabei geht es darum, genau hinzuschauen, inwieweit die einzelnen Teile tatsächlich mehr als ihre Summe darstellen. Wie man also alle Synergien so nutzt, dass sie schlussendlich einer größeren Vision dienen. Bei einem solchen Prozess wird auch deutlich, dass sowohl die Individuen als auch die Organisation selbst dazu bereit sein muss, solche Synergien herzustellen und zuzulassen.
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Prozess systemischer Transformation richten sich dabei also deutlich an beide Ebenen:
Bereitschaft des Individuums zu:
- Über den eigenen Lebenssinn zu reflektieren und bewusst nach Möglichkeiten zu suchen, diesem innerhalb der Organisation Räume zu suchen
- Klar zu kommunizieren was eigene Bedürfnisse sind und diese an den Bedürfnissen der Organisation zu spiegeln
- Wachsen
- Sich zu verändern
- Sich zu reflektieren und Feedback anzunehmen und zu teilen
- Herausforderungen anzunehmen
- Ganz bewusst nach neuen Herausforderungen Ausschau zu halten
- Unkomfortable Entscheidungen zu treffen (für sich und andere)
- Anderen Raum zu geben
- Freiwerdende Räume für sich einzunehmen und auszubauen
- Eigene Räume, Rollen und Aufgaben immer wieder neu zu definieren und zu bewerten
Bereitschaft der Organisation:
- Den Lebenssinn der einzelnen Individuen anzuerkennen und
- In der Organisation Räume und Prozesse zu schaffen mittels derer Individuen selbstbestimmt Rollen finden können, die sie bewusst Ihren Lebenssinn verfolgen lassen
- Flexibel die Organisationsstruktur und das „Betriebssystem“ der Organisation den Bedürfnissen der Mitglieder der Organisation anzupassen
- Eine Organisationskultur so etablieren, dass sie sowohl individuelle als auch strukturelle Transformationsprozesse ermöglicht und fördert
- Freiwerdende Räume wahrzunehmen, ohne sie sofort zu besetzen, um die Möglichkeit von Entwicklung für Individuen zu gewährleisten
- Sich lebendig, agil und iterativ den Bedürfnissen der Individuen anzupassen, ohne die Vision der Organisation aus den Augen zu verlieren
Achtsame Transformation von Organisationen durch Selbstführung
Deutlich dabei wird, dass Transformation ohne Selbstführung nicht möglich ist. Nur die Bereitschaft der Einzelnen, sich selbst zu transformieren, kann zu einem wahren Wandel des Gesamtsystems führen. Die Einzelnen müssen in der Lage sein oder in die Lage versetzt werden, ganz authentisch, verletzlich und offen ihre Bedürfnisse, Erwartungen, Anforderungen und Träume reflektieren und kommunizieren zu können.
Gleichzeitig muss es möglich sein, dass Ziele und Visionen der Organisation konkret angesprochen werden können und damit manchmal auch in einen Konflikt mit den Bedürfnissen der Individuen zu geraten. Die Kultur der Organisation muss dann in der Lage sein, diese Konflikte und Herausforderungen zu ertragen und ganz bewusst Wege zu finden, die die Entwicklung sowohl der Organisation als auch der Individuen befördert.
Ohne Frage kann dies auch manchmal ein schmerzlicher Prozess sein, der Einschränkungen bedeutet oder Zeit braucht, um diese Entwicklung zuzulassen. Gibt es diese Möglichkeiten nicht, besteht die Gefahr von Stillstand,
- entweder beim Individuum. Das bedeutet die Person kann sich nicht so entwickeln, wie sie es braucht, Bedürfnisse werden nicht befriedigt, eine innere Abkehr von der Organisation kann dann folgen und Motivation und Innovation werden eingeschränkt.
- Oder bei der Organisation selbst. Prozesse und Entwicklung werden gebremst, um den Bedürfnissen der Individuen nachzugeben, Vision und Mission werden weniger geachtet oder verfolgt, Wachstum, Innovation und Erfolg werden gemindert und können langfristig zum Scheitern der Organisation als Ganzes führen.
Gegenseitige Achtsamkeit ist also gefragt.
Auch das Tor der Transformation Ihrer Organisation öffnet sich nach innen
Wenn Selbstführung also Grundvoraussetzung für Transformation ist und diese in der Tiefe der Organisation beim einzelnen Mitglied der Organisation beginnen muss, ist klar, warum das Tor zur Transformation sich nur nach innen öffnen kann.
Wenn wir uns also fragen, warum bestimmte Entwicklungsprozesse in Organisationen und Systemen scheinbar so langwierig sind, brauchen wir nur genauer hinzuschauen,
- inwieweit die Individuen im jeweiligen System oder der Organisation die erforderlichen Veränderungen tatsächlich mittragen wollen und
- inwieweit die Organisations- oder Systemstruktur und -kultur wirkliche individuelle Transformation und Entwicklung zulässt und befördert
“In einer Welt, in der Organisationen selbstorganisierende, lebendige Systeme sind, müssen wir Veränderungen nicht mehr von außen aufzwingen.” Frederic Laloux
Schauen Sie doch auf Ihre eigene Organisation:
Wo zum Beispiel wird Diversität, Inklusion, Agilität und Selbstbestimmung tatsächlich befördert oder wo bleiben solche Transformationen ein reines Lippenbekenntnis, weil entweder Individuen dies nicht mittragen wollen oder die gelebte Organisationsstruktur oder Kultur dies schlicht verhindert?