Internationaler Frauentag -Zeit für Taten

Es ist internationaler Frauentag und wohin ich auch in den sozialen Medien schaue, überall sehe ich entweder Gratulationen oder Bezugnahmen auf immernoch bestehende Ungerechtigkeiten. Viel seltener sind die tatsächlichen Initiativen, die unternommen werden, um von Grund her etwas zu ändern oder  um in der Tiefe systemische Veränderungen herbeizuführen.

Ich fühle mich immer etwas seltsam, wenn ich eine Gratulation zum Frauentag bekomme. Nun gut, ich fühle mich auch seltsam, wenn ich Geburtstagsglückwünsche bekomme. Für beides kann ich ja nicht einmal etwas, ausgesucht habe ich es mir auch nicht.

In meiner Kindheit habe ich immer wieder mal mit meinem Mädchensein gehadert. Und wirklich genossen habe ich es erst mit meinem Muttersein. Mittlerweile bin ich gern eine Frau. Warum ich heute darüber nachdenke?

Auch, weil es natürlich tatsächlich weiterhin die Ungleichheit in Bezug auf Rechte, Teilhabe und Mitbestimmung gibt, zum anderen aber auch, weil ich als weiße, westliche Frau super privilegiert bin, wenn ich schon allein hier sitzen und darüber nachdenken kann.

Ich denke aber auch darüber nach, wieviel dieser Debatte nur ein Fix-It – Pflaster ist, nur dafür bestimmt, die tiefen liegenden Fragen gar nicht erst zu stellen.

Systemische Ungleichheit

Unsere gesamten gesellschaftlichen und professionellen Ordnungen sind auf dieser (und anderen) Ungerechtigkeit aufgebaut, sie sind immanenter Teil des Systems und befördern und zementieren diese Ungleichheit. Frauen, die es dennoch schaffen, sind oft auf einem sehr steinigen Weg gelandet, der ihnen viel abverlangt an Kraft, Authentizität und Geduld. Oft sind es genau diese Frauen, die hart dafür kämpfen, Transformationen systemischer Art nach vorn zu treiben, weil sie in ihrem eigenen Erleben und Reflektieren gesehen haben, wieviel Barrieren oft gar nicht mehr direkt durch Männer in den Weg gestellt werden, sondern schlicht systembedingt sind –Systeme von Männern für Männer.

Ahh, bevor sich jetzt der eine oder andere männliche Leser hier abwendet, sei gesagt, dass ich mich mit dem Begriff „Männer“ hier auf ein altes, aber noch sehr gängiges Modell von Mann mit ausgeprägten (oft nicht reflektierten) Rollenverständnis und vor allem unreflektierten Privilegien beziehe. Ein Modell, dem sich zunehmend auch viele Männer entsagen und demzufolge den bitter nötigen Systemwandel auch von ihrer Seite fördern.

Die Systeme, von denen wir hier sprechen, sind jedoch die Systeme, die sich ungemein etabliert haben. Logisch, dass ich da als erstes an das Bildungssystem denke, dass schon eine Grundlage der Geschlechterungleichheit legt und frühe, hartnäckige Narrative befördert. Aber dasselbe gilt natürlich auch für viele Elemente des kapitalistischen Wirtschaftssystems, der Organisation und Struktur von Gesellschaft, Politik, Arbeit, Sozialfürsorge bis hin zu Familiensystemen.

Systeme im Wandel – ein letztes Aufbäumen des Alten

Das derzeitige Erstarken der weltweiten Konservativen und Ultrarechten scheint dem komplett entgegen zu stehen und doch erscheint es eben auch als ein Beweis für den voranschreitenden Wandel – ein letzter Marsch der alten Privilegierten, die wissen, dass sie die Flexibilität für eine Systemänderung nicht mit sich bringen und so verzweifelt noch einmal alle letzten Kräfte für ein letztes Aufbäumen im Todeskampf eines ausgedienten Mindsets innerhalb unweigerlicher (und schon endlos überfälliger) Transformation.

In unserem Consulting in Firmen und Lernorganisationen bemerken wir dieses Hin-und Hergerissensein noch sehr viel stärker. Konservative Kräfte (insbesondere solche, die sich nach außen hin als offen, modern und transformationswillig darstellen), drängen dann oft mit aller Kraft darauf, doch beim Altgewohnten zu bleiben. Sätze, wie „das haben wir schon immer so gemacht“, „für diese Neuerungen gibt es keine wissenschaftliche Bestätigung der Wirksamkeit“ und „wir haben keine Zeit für solche Kinkerlitzchen“ in ihren verschiedenen Abwandlungen hören wir dann regelmäßig.

Im Coaching offenbaren sich bei Einzelnen dann oft tiefgehende Narrative, die auch die Definition von Männlichkeit und Weiblichkeit umfassen, die einem Sinneswandel im Sinne einer systemischen Transformation im Wege stehen. Diese Narrative tragen dabei selbstverständlich nicht nur Männer mit sich, sondern wir alle. Genau das ist eben die Transformationsleistung, die es hier zu stemmen gilt: Diese Narrative müssen von jedem auf ihre Gültigkeit für den Einzelnen hin überprüft werden und können nicht einfach ad acta gelegt werden.

Das Tor der Transformation öffnet sich nach innen – für Frauen und Männer und eine Gesellschaft, die es in ihrer Gemeinschaft schaffen muss, die großen Fragen von Klimakrise, Wasser- und Hungerkrise, gesellschaftlicher Spaltung, Gesundheitssystemen, technologischem Fortschritt und fortwährenden, auch kriegerischen Auseinandersetzungen zu finden.

Sich zum Frauentag zu gratulieren hilft da wenig, genauso wie eine Diversitätsbeauftragte noch lange nicht strukturellen Rassismus beendet oder Unterstützungserklärungen für Menschen auf der Flucht ihre Lebens-und Überlebensbedingungen verbessert.

Ich denke, dass nur Tun etwas ändert, darüber geredet haben wir schon lange genug.

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